DM-Serie: Eine DM-Medaille für nur wenige Sekunden

29. April 2021

"Man muss einmal in seinem Leben an einer Deutschen Meisterschaft in Brettorf teilgenommen haben". Dieser Satz, der schon einmal unter süddeutschen Faustballern gefallen ist, ist wohl das größte Kompliment, das ein Faustballverein als Organisator hören kann. Von 1982 bis 2017 war der TV Brettorf bisher sieben Mal Ausrichter einer Deutschen Meisterschaft. Jede DM war dabei auf ihre ganz eigene Art besonders - sei es für Spieler, Trainer, Offizielle oder Fans. Gemeinsam mit damaligen Protagonisten blickt der TVB auf die bisherigen DM-Austragungen zurück.

Es ist früher Sonntagnachmittag, als am 5. September 2010 in Brettorf fast das gesamte Dorf den Atem anhält. Als Rika Meiners im zweiten Satz des Bronze-Spiels der Deutschen U14-Meisterschaft zum Schlag ansetzt, scheint der Traum der Gastgeberinnen, eine Medaille bei der Heim-DM zu gewinnen, wahr zu werden. Ihr Ball wird länger und länger, schlägt auf der Seite von Gegner Wardenburger TV auf. Die Brettorfer Trainerinnen, TVB-Spielerinnen und die Fans reißen jubelnd die Arme hoch.

Angreiferin Rika Meiners und Abwehrspielerin Laura Cording, die damals zur Brettorfer Mannschaft gehören, können sich auch heute noch zu gut an diesen Moment erinnern. Denn das gesamte Team befindet sich im Freudentaumel: Haben sie bei ihrer ersten Deutschen Meisterschaft wirklich eine Medaille gewonnen? Doch die Freude währt nur kurz. Nur Sekunden nachdem der Jubel begonnen hat, verstummt er schon wieder.

Gemeinsam in der F-Jugend gestartet

Rückblick: Knapp Zehn Jahre ist es zu diesem Zeitpunkt her, dass Laura Cording und Rika Meiners in der Brettorfer F-Jugend mit dem Faustball begonnen haben – auch weil ihre Eltern eng mit dem TVB verbunden sind. Die ersten Erfolge sollen nicht lange auf sich warten lassen. In Moslesfehn gewinnen sie in der U10 ihren Landesmeistertitel. In der Feldsaison 2009 findet in Brettorf dann die Norddeutsche Meisterschaft statt – als Generalprobe für die DM ein Jahr später. Die Brettorferinnen verpassen die Qualifikation zur Deutschen Meisterschaft zwar, haben nun aber ein Ziel vor Augen. „Die Aufregung war auf jeden Fall sehr groß“ sagt Rika Meiners. „Wir hatten alle die DM der Männer und Frauen 2004 im Kopf, wo wir als Fans dabei gewesen waren und wussten, dass sowas ähnliches jetzt für uns aufgebaut wird.“ Nicht anders ergeht es Laura Cording. „Man hat schon ein paar Deutsche Meisterschaften als Fan miterlebt, aber man hat hier schon gemerkt, dass es etwas ganz Großes wird“, sagt sie.

Die DM-Vorbereitungen erleben die beiden hautnah mit. „Meine Mutter hat sich damals um die Pokale und Preise gekümmert und immer wieder von den Planungen erzählt“, erinnert sich Cording. Dazu beteiligt sich die gesamte Mannschaft an den Arbeitsdiensten im Vorfeld, je näher das DM-Wochenende kommt, desto größer wird die Aufregung. Besonders als in der DM-Woche die Vorbereitungen auf der Anlage getroffen werden. „Jeden Morgen, als wir mit dem Bus zur Schule gefahren sind, haben wir auf den Platz geschaut und gesehen was schon alles gemacht wurde“, sagt Rika Meiners.

Mit ihren Trainerinnen Marion Einemann und Silvia Düßmann bereiten sich die TVB-Mädels dabei intensiv auf die DM vor. „An einem Wochenende haben wir parallel zu den Jungs ein Trainingslager auf der Anlage gehabt und als Team das gesamte Wochenende zusammen verbracht“, erzählt Laura Cording. Dazu nehmen die TVB-Faustballerinnen eine Woche vor der DM an einem Vorbereitungsturnier in Wangersen teil – und gewinnen. „Sie haben sich unglaublich viel einfallen lassen“, ist die gebürtige Aschenstedterin noch heute vom Einsatz des damaligen Trainer-Duos beeindruckt. Einemann und Düßmann sorgen bei ihren Spielerinnen auch für einen echten Gänsehautmoment: mit einem Motivationsvideo. „Ich glaube jeder von uns hatte Tränen in den Augen“, verrät Laura Cording.

Erfolgreicher Auftakt am Samstag

Als am Samstag die ersten Vorrundenspiele angepfiffen werden ist die Nervosität im Brettorfer Lager groß. „Wir haben zum ersten Mal gegen unbekanntere Mannschaften gespielt und wollten unbedingt eine Medaille gewinnen“, sagt Laura Cording. Im ersten Spiel bekommen es die Brettorferinnen aber mit einem Team aus der Nachbarschaft zu tun. Im Derby gegen den Ahlhorner SV behaupten sich die Gastgeberinnen (11:6, 11:8), gewinnen auch ihre Spiele gegen den VfL Kellinghusen, TV Obernhausen und TB Oppau und holen sich den Gruppensieg. Im Halbfinale müssen sich die Schwarz-Weißen dann aber gegen den TK Hannover geschlagen geben. Doch der Traum von einer Medaille lebt weiter – im Bronze-Spiel gegen Landkreis-Rivale Wardenburger TV.

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Nicht ganz eingreifen kann das Team der männlichen U14 des TVB, das ebenfalls an den Start geht. Am Samstag liefern sich die Brettorfer dabei gleich zum Auftakt eine wahre Nervenschlacht gegen Landkreis-Rivale SV Moslesfehn (15:14, 11:9) und schaffen es durch diesen Erfolg auf den dritten Platz in der Vorrundengruppe. Im Quali-Spiel am Sonntag bekommt es die Truppe um Angreifer Malte Hollmann mit dem späteren Vizemeister vom Ahlhorner SV zu tun - muss sich aber knapp geschlagen geben. Am Ende steht für die junge Brettorfer Mannschaft von Tobias Kläner ein sechster Platz zu Buche. Im Bronze-Spiel der Mädchen feuern sie ihre Vereinskolleginnen dann lautstark von der Tribüne an.

Spannendes Spiel um Bronze

Zunächst mit Erfolg: Nach einem souveränen 11:7 im ersten Satz haben die Brettorferinnen im zweiten deutlich mehr zu kämpfen. Trotzdem haben sie beim Stand von 11:10 zum zweiten Mal Matchball, als Rika Meiners den Ball weit in die Wardenburger Hälfte spielt. „Alle haben gejubelt“, erinnert sich Meiners. Sogar die gegnerische Trainerin läuft schon auf das Spielfeld, als der Linienrichter die Fahne hebt. Alle Spielerinnen zucken zusammen: Ist die Medaille etwa doch noch nicht gewonnen? „Es gab eine riesige Diskussion. Es hat sich angefühlt, als ob die eine halbe Stunde gedauert hat“, beschreibt Rika Meiners ihre Erinnerungen. „Keiner hat verstanden, warum der Ball im Aus gewesen sein sollte.“ Im Brettorfer Spiel reißt nach dieser Szene der Faden. Statt 12:10 und dem Sieg im kleinen Finale steht es nun 11:11, Wardenburg dreht den Satz noch (14:12) und behält auch im engen dritten Satz die Oberhand (11:9).

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„Die Enttäuschung war natürlich riesig", sagt Rika Meiners. „Wir hatten eine Hand schon an der Medaille. Für uns, aber auch für den gesamten Verein, das gesamte Dorf. Wir wollten damit etwas zurückgeben, für alle, die bei der Organisation geholfen haben.“ Auch die Auszeichnung als beste Angreiferin des Turniers bei der Siegerehrung ist für sie ein schwacher Trost. „Ich hätte den Pokal gerne gegen die Bronzemedaille eingetauscht“, sagt sie.

Erfolge nach Heim-DM

Immerhin hat das DM-Wochenende die Mannschaft zusammengeschweißt. „Der Zusammenhalt war echt gut und die beiden Tage haben uns noch einmal gestärkt. Das Event hat uns zusammengebracht und war die nächsten zwei Monate das Gesprächsthema Nummer eins“, berichtet Rika Meiners. Das Ziel der DM-Medaille verfolgen sie weiter. Eineinhalb Jahre später, bei der U16-DM in der Halle, platzt in Bad Staffelstein dann der Knoten. Brettorf gewinnt die Bronzemedaille. „Karen Kläner und ich sind ziemlich abergläubisch. Wir waren irgendwann der Meinung, dass uns meine Rückennummer 4 Unglück bringt. Deshalb habe ich eine neue genommen. Und schon hat es geklappt“, lacht Meiners. Bei ihrer letzten gemeinsamen Feld-DM 2014 in Hannover steht das Team erneut auf dem dritten Platz – und das mit nur einer Ausnahme in identischer Besetzung zur Heim-DM 2010. „Wir waren zusammen einfach ein super Team“, blickt Laura Cording auf die gemeinsame Zeit zurück.

Für Mitspielerin Rika Meiners war ihre erste gemeinsame Deutsche Meisterschaft, die der U14 in Brettorf – trotz Platz vier – „die beste Jugend-DM, die ich erlebt habe“. „Ganz unabhängig ob es jetzt im eigenen Dorf war“, betont sie. „Es war ein unfassbares Wochenende, ein abgefahrenes Event. Wir haben in diesem Moment angefangen, unsere eigene Faustball-Geschichte zu schreiben. Darauf können wir alle unglaublich stolz sein.“

Statistiken

Weibliche U14

Kader TV Brettorf:
Karen Kläner, Rika Meiners, Melanie Steenken, Eileen Bruns, Laura Koletzek, Laura Cording, Jane Luthardt, Kim Hartung, Luisa Neu, Lara Prohel; Trainerinnen: Marion Einemann & Silvia Düßmann

Vorrunde:
TVB - Ahlhorner SV 2:0 (11:6, 11:8)
TVB - VfL Kellinghusen (11:6, 11:6)
TVB - TB Oppau 2:0 (11:4, 11:5)
TVB - TV Obernhausen 2:1 (11:6, 12:14, 11:7)

Halbfinale:
TVB - TK Hannover 0:2 (6:11, 11:13)
Platz 3:
TVB - Wardenburger TV 1:2 (11:7, 12:14, 9:11)

Endstand:
1. Ahlhorner SV (Niedersachsen), 2. TK Hannover (Niedersachsen), 3. Wardenburger TV (Niedersachsen), 4. TV Brettorf (Niedersachsen), 5. TSV Breitenberg (Schleswig-Holstein), 6. VfL Kellinghusen (Schleswig-Holstein), 7. TV Obernhausen (Schwaben), 8. TV Segnitz (Bayern), 9. TB Oppau (Pfalz), 10. TV Bretten (Baden)

Männliche U14

Kader TV Brettorf:
Malte Hollmann, Christoph Köhler, Julian König, Erik Hollmann, Nils Einemann, Phillip Leggewie, Fynn Otten, Hauke Spille; Trainer: Tobias Kläner & Olaf Einemann, Enno Hollmann

Vorrunde:
TVB - SV Moslesfehn 2:0 (15:14, 11:9)
TVB - TV Wünschmichelbach 0:2 (9:11, 9:11)
TVB - VfL GG Güstrow 2:1 (11:5, 10:12, 11:5)
TVB - TSV Calw 0:2 (9:11, 4:11)

Qualifikation:
TVB - Ahlhorner SV 0:2 (9:11, 9:11)
Platz 5:
TVB - TSV Calw 0:2 (9:11, 10:12)

Endstand:
1. TSV Dennach (Schwaben), 2. Ahlhorner SV (Niedersachsen), 3. VfL Pinneberg (Schleswig-Holstein), 4. TV Wünschmichelbach (Baden), 5. TSV Calw (Schwaben), 6. TV Brettorf (Niedersachsen), 7. SV Moslesfehn (Niedersachsen), 8. TK Hannover (Niedersachsen), 9. VfL GG Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern), 10. SKG Rodheim-Bieber (Hessen)

Text: Sönke Spille
Interviewpartnerinnen: Laura Cording & Rika Meiners
Informationen & Fotos: Faustball-Information, Chronik TV Brettorf

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